Uns Missionare ohne Schiff, die
von der gleichen Liebe geplagt sind, treibt der gleiche Geist anderen Wüsten
zu. (...) Gleich, sobald das Tor aufgeht, besteigen wir die U-Bahn. Dann sehen
wir Gesichter, Stirnen, Augen, Münder. Münder Vereinzelter, unverhüllt: manche
geizig, andere unrein, wieder andere böse, gierige Münder oder gesättigte mit
allen Nahrungen dieser Welt, und wie wenige, wie wenige haben die Form des
Evangeliums. (...) Abermals wenn wir, im Nebel, im Regen oder im Mondschein,
Leute kreuzen, und sie reden hören von Koffern, von Speck, von Geld, von
Beförderung, von Angst, von Zank; nie, fast nie von dem, was unsere Liebe ist.
(...) Inmitten der Masse, Herz an Herz, zusammengedrängt zwischen so vielen
Leibern, auf unserem Sitzbrett, wo drei Unbekannte uns Gesellschaft leisten, in
der schwarzen Straße pulst unser Herz, wie wenn eine Faust sich um einen Vogel
schließt.
Der Heilige Geist, der ganze
Heilige Geist in unserem armen Herzen, die Liebe, so groß wie Gott, die in
unserem Herzen schlägt wie ein Meer, das um jeden Preis sich befreien, sich
dehnen, einströmen will in all diese undurchdringlichen Leute, diese
ausweglosen Wesen hinein.
Alle Straßen sind begehbar, in
jeder U-Bahn kann man sitzen, alle Treppen steigen, den Herrn überallhin
tragen, (...)
Herr, gib wenigstens, daß die
Kruste, die mich bedeckt, dir kein Hindernis sei. Geh durch.
Meine Augen, meine Hände, mein
Mund sind dein.
Diese so traurige Frau mir
gegenüber: hier ist mein Mund, damit du ihr lächelst.
Dieses vor Bleichheit fast graue
Kind: hier meine Augen, damit du es anschaust.
Dieser so müde, so müde Mann:
hier ist mein Leib, damit du ihm meinen Platz gibst und meine Stimme, damit du
ihm leise sagst: „Setz dich.”
Dieser so dumme, eingebildete,
harte Bursch, hier ist mein Herz, daß du ihn liebst, stärker, als er je geliebt
wurde.” (M. Delbrêl,
Wir Nachbarn der Kommunisten, Einsiedeln 1975, S 54 – 56)
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